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Wassereintritt im Kanalnetz

Gegen das Fremdwasser

29.09.2022

Der durchschnittliche Fremdwasseranteil im Kläranlagenzulauf des Abwasserzweckverbands Nagold beträgt 70 % und liegt somit deutlich über dem Wert der erhöhten Fremdwasserabgabe an das Landratsamt. Doch auch ohne diesen ordnungspolitischen Druck ist die eigene Motivation des Kläranlagenbetreibers hoch, den Klarwasseranteil im Verbandsgebiet zu reduzieren. Allerdings begann der Start mehr als holprig.

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Fremdwassereintritt in Nagolder Kanälen | Foto: ISAS

Von 1996 bis zum Jahr 2006 wurden vom Verband rund 3 Mio. Euro aus der Verrechnung der Abwasserabgabe als Zuschüsse für Kanalsanierungsmaßnahmen zur Fremdwasserreduzierung an die Verbandsgemeinden verteilt. Unkoordiniert und ohne ein verbandsumfassendes Fremdwasserbeseitigungskonzept wurden diese Mittel größtenteils wirkungslos verwendet und lediglich vielfach in grabenlose Reparaturmaßnahmen wie Verpress- und Spachtelarbeiten sowie Kurzschläuche gesteckt. Eine merkliche Fremdwasserreduzierung konnte dabei nicht festgestellt werden.

Fremdwasserproblem in Nagold

In den Orts- und Stadtbauämtern fehlten oft die notwendigen Arbeitskräfte und auch das Fachwissen, diese Problematik grundsätzlich anzugehen. Beim AZV Nagold wurde deshalb im Jahr 2005 in Zusammenarbeit mit den beteiligten Landratsämtern und der ISAS GmbH, Büro Albstadt, damit begonnen, die Fremdwasserbeseitigungsproblematik systematisch anzugehen. Dies betrifft neben Fehleinleitungen im Bereich der Außengebietsentwässerung vor allem das Kanalnetz, mit gezielten Maßnahmen wie der hier vorgestellten. Im AZV Nagold mit Sitz in Nagold sind 7 Verbandsgemeinden mit 23 Ortschaften und einer Gesamtflächengröße von 3.735 ha zusammengeschlossen. Die Sammlernetzlänge des Zweckverbands beträgt rund 60 km und umfasst 75 Regenwasserbehandlungsanlagen.

Die Verbandsgemeinden befinden sich in den Schwarzwaldtälern der Nagold, der Waldach und der Steinlach sowie deren seitlichen Zuflüssen. Die Fremdwasserproblematik im Abwassernetz des AZV Nagold ist omnipräsent. Die Hauptursachen für den hohen Fremdwasserzufluss liegen darin begründet, dass die Sammler meist in Tallagen neben den Gewässern verlaufen. Über Schadstellen im Kanal dringt somit bei hohen Grundwasserständen, zumindest zeitweise, Klarwasser in den Kanal. Darüber hinaus gelangt vermutlich immer noch über unbekannte Fehlanschlüsse in erheblichem Umfang Drainage-, Hangschicht- und Quellwasser über die Ortskanalisationen in den Zweckverbandssammler.

Fehlanschlüsse und mangelhaftes Bauen

Die Ursachen für diese Fehlanschlüsse liegen oft in der Vergangenheit. Damals – wie übrigens leider oft auch noch heute – galt es unerwünschtes Wasser, unabhängig von seinem Verschmutzungsgrad, so rasch wie möglich abzuleiten. Was lag da näher als ohne großen Aufwand einfach an den nächstliegenden Kanal anzuschließen?

Zudem hat Wasser bekanntermaßen einen kleinen Kopf. Der immer höhere Baudruck auch auf wenig(er) geeigneten Grundstücken benötigt für Bauwerke, die dem Grundwasser ausgesetzt sind, eine außergewöhnlich sorgfältige, nachhaltige und damit kostenintensive Bauweise. Die Resultate mangelhaften Bauens lassen sich sowohl im Wohnbau als auch im Siedlungswasserbau in sehr kurzer Zeit sehen. Undichte Bauten der Abwasserentsorgung verlieren wesentliche Teile ihrer Zweckbestimmung.

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Erschwerte Zugänglichkeit auf dem Gelände des Flusskraftwerks | Foto: ISAS

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Provisorische Baustraßen | Foto: ISAS

Fremdwasseranteile messen und reduzieren

Eine effektive Fremdwasserreduzierung unter Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte kann nur dann erfolgen, wenn es gelingt, Bereiche zu sondieren, in denen auf relativ kleiner räumlicher Ausdehnung ein erhöhtes Maß an Fremdwasserinfiltrationen bzw. Klarwasserzuläufe ins Kanalnetz vorliegen. Diese Erkenntnisse setzten sich beim AZV Nagold durch. Durch qualitative Fremdwassererkundungen wurden Bereiche hohen Fremdwassereintrags lokalisiert.

Eine nachfolgende Fremdwassermesskampagne in diesen Bereichen diente zur Feststellung der tatsächlichen Fremdwasseranteile im Trockenwetterabfluss. Diese Messwerte bilden auch die Basis zur späteren Erfolgskontrolle von Fremdwasserreduzierungsmaßnahmen nach der Sanierung, die mittels mobiler Durchflussmessgeräte durchgeführt werden.

Damit war die Grundlage für „große Würfe“ geschaffen: Es wurden Sammlerbereiche mit Klarwassereintrag großflächig über viele Haltungen hinweg durchgängig mittels grabenloser Schlauchliningtechnologie renoviert, um von vorneherein potenziellen Verlagerungen von Klarwassereintritten ins Kanalnetz entgegenzuwirken. Fremdwasser konnte so nachweislich und in nennenswertem Umfang reduziert werden. Die hier beschriebene Maßnahme ist ein weiterer Baustein zur Renovation der Verbandssammler.

Fremdwasserzufluss am Schiffswehr

Durch die Stadt Nagold fließt der gleichnamige Fluss. Zur energetischen Nutzung der Wasserkraft wird der Vorfluter durch das sogenannte Schiffswehr eingestaut. Als vorletztes Jahr das Wehr zu Revisionszwecken abgesenkt wurde, konnte ein deutlich geringerer Fremdwasserzulauf an der Verbandskläranlage festgestellt werden.

Im Aquiferbereich des Schiffwehrs verlaufen parallel zwei Sammler DN 700 mm und DN 900 mm - DN 1400 mm, jeweils in Stahlbeton. Als hauptsächliche Schadensbilder zeigten sich in den zu sanierenden Haltungen Radialrisse, komplexe Rissbildungen, undichte Muffen, Wurzeleinwüchse und nicht fachgerecht angeschlossene Zuläufe, allesamt verbunden mit eindringendem Klarwasser. Die parallel verlaufenden Stränge können umgeleitet und damit einzeln abwasserfrei gestellt werden. Eine qualitative Fremdwassererkundung ist damit einfach möglich. Durch die nachfolgende abwasserfreie Inspektion mittels fahrbarer TV-Kamera konnten Klarwassereintritte nach Wiedereinstau des Wehres genau lokalisiert werden.

Die Herausforderung des Fachplaners bestand darin, die extrem erschwerte Zugänglichkeit auf dem Gelände des Flusskraftwerks, zum Teil unter dem Zulaufkanal des Kraftwerks, planerisch zu berücksichtigen. Im Gegensatz hierzu konnte der überwiegende Anteil der zu sanierenden Haltungen, die sich unter landwirtschaftlichen Flächen befinden, relativ einfach durch die Errichtung provisorischer Baustraßen erreicht werden.

Liner ohne Ablassen des Wehres eingebaut

Die Aufrechterhaltung der Energiegewinnung, verbunden mit den zu erwartenden Ausgleichszahlungen an den Energiebetreiber, waren es, die zu der Entscheidung geführt haben, den Linereinbau ohne das Ablassen des Wehres zu bewerkstelligen. Dies gelang der ausführenden Firma RTi Austria GmbH, die aus einer öffentlichen Ausschreibung als Bestbieter hervorgegangen war, u.a. durch den Einsatz eines Trichters, der von der Firma für solche Zwecke selbst entwickelt worden war. Mit diesem Trichter konnten in drei Haltungen DN 1400 mm über die bestehenden Schachtöffnungen DN 625 mm Schlauchliner ohne Konusabnahme eingebracht werden.

Installiert wurden UV-aushärtende GFK-Schlauchliner der SAERTEX multiCom GmbH mit einer Wanddicke von 9 mm, die mit einem Jumbo-Kern 12 x 1.000 W ausgehärtet wurden. SAERTEX multiCom hat mit Technikern, einem Förderband und teilbaren Packern unterstützt.

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Mit einem selbst entwickelten Trichter konnten in drei Haltungen über die bestehenden Schachtöffnungen Schlauchliner ohne Konusabnahme eingebracht werden. | Foto: ISAS

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Installation des GFK-Schlauchliners | Foto: ISAS

Vor dem Einbau der GFK-Schlauchliner waren in den begehbaren Haltungen Vorabdichtungen mittels 2-Komponenten-PU-Schauminjektionen erforderlich. Hierfür mussten ca. 250 Packer gesetzt werden. In den Haltungen DN 700 mm wurden die Vorabdichtungen mittels Kurzschläuchen vorgenommen. Nach erfolgtem Schlauchlinereinbau wurde am Zu- und Ablauf der Schächte der Schlauchliner-Ringspalt mittels Lanzeninjektion verpresst, um im Nachgang eine GFK-Auskleidung des Schachtunterteils mittels Handlaminat vornehmen zu können.

Durch das reibungslose und taktgenaue Zusammenspiel zwischen Linerhersteller, ausführender Firma und Fachplaner wurde der Fremdwasserzulauf in der Kläranlage des AZV Nagold nachweislich reduziert. Der technische Geschäftsführer des AZV Nagold, Peter Haselmaier ist seinem Ziel, den Fremdwasserzulauf laufend zu minimieren, somit wieder einen Schritt nähergekommen.

Von Dipl.-Geogr. Gerhard Renz, ISAS GmbH, Büro Albstadt

Zum Originalbeitrag der B_I umweltbau.