Mit der grabenlosen Sanierung von Abwasser- und Druckleitungen ist das Team von Saertex multiCom, eine Tochtergesellschaft der Saertex Group in Saerbeck, heute weltweit unterwegs. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen ein Projekt in São Paulo abgewickelt unter besonderen Bedingungen.
In Santo Amaro, dem Hauptzentrum im Süden von São Paulo, hat Saertex multiCom eine Trinkwasserleitung saniert, über die rund 900.000 Haushalte versorgt werden. „Eins der drei parallel verlaufenden Rohre hatte ein großes Leck, sodass es umgehend wieder instandgesetzt werden musste, um die Versorgung der vielen Menschen in Santo Amaro sicherzustellen, um Wasserverschwendung zu vermeiden und um zu verhindern, dass die Leitung vollständig bricht. Damit die anderen beiden Rohre, die die Wasserversorgung des Ortsteils während der Sanierung vollständig übernehmen, nicht überlastet werden, sollten die Arbeiten auch möglichst schnell durchgeführt werden“, beschreibt Kai Diecks, Global Managing Director bei Saertex multiCom, die Anforderungen.
Eine besonders große Herausforderung für das Sanierungsprojekt war außerdem der Leitungsverlauf: 172 der insgesamt 520 Meter langen Leitung führen durch ein stark frequentiertes Mischgebiet aus Familienhäusern, Büros und Bankenzentralen sowie Straßenhändlern. Anwohner sowie die bestehende Infrastruktur und der Straßenverkehr sollten so wenig wie möglich durch die Sanierungsmaßnahme beeinträchtigt werden. Eine Baustelle in offener Bauweise mit groß angelegten Erdarbeiten schied also aus. „Das Aufreißen der Straßen und Gehwege wäre mit immensen Verkehrsstörungen sowie hohem Schmutz- und Lärmaufkommen verbunden gewesen“, erläutert Diecks.
Der Netzbetreiber für die Wasserversorgung sowie Abwassersammlung und -behandlung der 375 Gemeinden von São Paulo, Sabesp, hat sich daher für eine grabenlose Sanierung, bei der ein neues Rohr in das alte eingezogen wird, entschieden. Den Zuschlag dafür bekam das brasilianische Unternehmen Sanit Engenharia, das dabei auf die Expertise von Saertex multiCom zurückgriff. Rund ein halbes Jahr Vorbereitungszeit war nötig, damit sich alle Projektbeteiligten vor Ort abstimmen und die Bauarbeiten detailliert planen konnten. Das Saerbecker Unternehmen hat für die marode Wasserleitung in Santo Amaro einen speziell für Trinkwasserleitungen entwickelten, glasfaserverstärkten Schlauchliner – einen sogenannten GFK-Liner – geliefert und die Installation vor Ort begleitet. Der Vorteil: „Die glatte Oberfläche des Liners sorgt in Verbindung mit einer geringen Wanddicke dafür, dass der Innendurchmesser möglichst groß bleibt, also nach wie vor viel Wasser durch die Leitung fließen kann. Das ist für die Rohrsanierung dicht besiedelter Regionen wie São Paulo entscheidend, um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen“, erklärt Ivo Hemsing, Business Development Pressure bei Saertex multiCom, die Technologie. „Unser Saertex-Liner H2O hält einem Druck bis zu 33 bar stand, ist mittlerweile in über 14 Ländern weltweit zugelassen und bereits in über 400 Projekte erfolgreich zum Einsatz gekommen", ergänzt Timo Münstermann, Product Manager bei Saertex multiCom.
Das Projektteam hat einen Großteil der Arbeiten in Santo Amaro über Nacht erledigt, um Verkehr und Anwohner so wenig wie möglich zu stören und um das Equipment schneller vom Lager zur Baustelle transportieren zu können. An fünf Stellen haben die Experten eine kleine Baugrube errichtet und sich so Zugang zur Versorgungsleitung verschafft, um den neuen Liner in die marode Leitung einzuziehen. Mit Druckluft haben sie den GFK-Liner im alten Rohr aufgestellt und mit UV-Licht ausgehärtet, damit er eng am Altrohr anliegt. „Für die Sanierung des längsten Abschnitts von 172 Metern in Santo Amaro haben wir lediglich 18 Stunden benötigt und damit die Umwelt so wenig wie möglich belastet“, erklärt Hemsing das Verfahren.
Für die grabenlose Rohrsanierung sieht Global Managing Director Diecks noch viel Potenzial. Denn nach einer Studie der International Water Association gehen weltweit etwa 346 Milli-onen Kubikmeter Wasser pro Tag durch geplatzte Rohre, undichte Leitungen oder veraltete Versorgungsnetze auf dem Weg zum Verbraucher verloren. In Deutschland versickern demnach etwa 1,3 Milliarden Liter Trinkwasser täglich ungenutzt im Boden. 25 Prozent der deutschen Leitungen schätzt die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft daher als sanierungsbedürftig ein. „Viele Rohre stammen aus einer Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund von Löchern und Rissen müssen sie dringend erneuert oder saniert werden. Gerade in Zeiten zunehmender Dürrephasen und drohender Wasserknappheit wird die Instandsetzung der unterirdischen Infrastruktur eine immer wichtigere Rolle spielen“, erklärt Diecks. Aber nur ein Prozent wer-de jährlich saniert, da großangelegte Baumaßnahmen kostspielig und planungsintensiv seien. Bis zu 70 Prozent weniger CO2 als bei der offenen Bauweise fallen bei der grabenlosen Rohrsanierung an. Durch den Verzicht auf Erd-arbeiten können neben CO2 und Zeit auch Baukosten eingespart werden, weist Daniel Kollmann, Business Development Wastewater bei Saertex multiCom, hin. Die Nutzungsdauer einer mit glasfaserverstärkten Schlauchlinern sanierten Rohrleitung liege bei mindestens 50 Jahren. „Immer mehr Kommunen weltweit entscheiden sich daher für eine Sanierung anstelle eines vollständigen Austauschs des gesamten Rohres”, blickt Kollmann auf die aktuellen Entwicklungen. Mehr als 100.000 GFK-Schlauchliner von Saertex multiCom sind bereits auf der ganzen Welt installiert worden. „Mit der grabenlosen Sanierung und unseren zertifizierten, glas-faserverstärkten Schlauchlinern tragen wir der hohen Nachfrage Rechnung. Wir sind davon über-zeugt, dass die Zukunft der grabenlosen Technologie gehört, und freuen uns über das immer größer werdende Interesse an unseren Sanierungslösungen“, blickt Kollmann voraus.
Die Saertex Group wurde 1982 gegründet und ist Hersteller von Leichtbaumaterialien aus Glas-, Carbon-, Aramid- und Flachsfasern. Die Faserverbundstoffe ersetzen konventionelle Materialien wie Stahl und Aluminium, minimieren das Ge-wicht und sollen die Lebensdauer von Bauteilen maximieren. So kommen die technischen Textilien zum Beispiel beim Flug- oder Fahrzeugbau, in Skiern und Snowboards, aber auch in Booten zum Einsatz. Mehr als die Hälfte des jährlichen Um-satzes von rund 350 Millionen Euro erwirtschaftet Saertex allerdings mit Produkten für die Windindustrie. Die Tochtergesellschaft Saertex multiCom produziert mit mehr als 300 Mitarbeitenden in Saerbeck, Huntersville (USA) und Pinghu (China) Schlauchliner aus Glasfasern für die grabenlose Sa-nierung von Abwasser- und Druckleitungen, beispielsweise für Trinkwasser, Gas und andere Medien.